Dienstag, 19. Mai 2015

Ergänzungsstunden


Ausschnitt aus der aktuellen Stundenplanung mit der Zahl
der Wochenstunden je Fach. »Ergänzungsstunden« fett.
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»Ergänzungsstunden« sind Schulstunden, die die normalen Schul­stunden »ergänzen«. Sie stecken im Stun­den­plan. Wir Eltern haben damit nichts zu tun, wir er­kenn­en nicht einmal, wo Ergän­zungs­stunden drin stecken und wo nicht. Die Anzahl der nor­ma­len Schulstunden schreibt eine »Stundentafel« genau vor­. Mehr unten, denn –
   ich muss etwas weiter ausholen (und bitte Po­le­mik zu über­sehen). Allein in Deutsch­land beschäftigen sich knapp zwanzig Kultusministerien mit Plänen für die Schulen (und dürfen sich dabei nicht einmal helfen: Kooperationsverbot).
   Zurzeit wird viel über G8 nachgedacht, über das hier neue achtklässige Gymnasium. Hier in Nordrhein-Westfalen hat ein »runder Tisch« Empfehlungen erarbeitet, die man hier nachlesen kann, genau zehn:

Die zehn Empfehlungen

1. Nutzung der Ergänzungsstunden auf eine neue Grundlage stellen (individuelle Förderung, 5 Stunden nicht für alle verbindlich, keine „Verlängerung“ von Unterricht in den Fächern, Schulkonferenz berät Konzept)
2. Hausaufgaben begrenzen, Lernzeiten entwickeln (Hausaufgaben sind keine Verlängerung von Fachunterricht, keine Belastung an Tagen mit Nachmittagsunterricht, schulisches Konzept wird intern abgestimmt, „Orientierungshilfe“ von QUA-LiS)
3. Zahl der Klassenarbeiten pro Woche stärker begrenzen (Zwei, im Ausnahmefall höchstens drei Klassenarbeiten pro Woche, keine schriftlichen Übungen an Tagen mit Klassenarbeiten) Weiterentwicklung von G 8, März 2015
4. Fächerbindung in der Jahrgangsstufe 9 lockern (nach Beschluss der Schulkonferenz, Vorgaben der
Kontingentstundentafel gelten, Umsetzung transparent machen)
5. Schülerlaufbahnen in der Sekundarstufe I stärker unterstützen (Mittelstufenkoordinatoren stärken, Blick nicht nur auf Übergänge, sondern noch stärker auf Schülerlaufbahnen lenken)
6. Nachmittagsunterricht, schulische Ganztagsangebote, außerschulische Angebote und Freizeit in Einklang bringen (Verpflichtender Nachmittagsunterricht an Gymnasien in Klassenstufen 5 bis 7 an höchstens einem, in Klasse 8 und 9 an höchsten zwei Nachmittagen; auch an Ganztagsgymnasien zwei Nachmittage frei von Pflichtunterricht, Absprachen mit außerschulischen Bildungsträgern aus Kultur, Sport, Jugendarbeit)
7. In den Schulen wird eine neue „Anerkennungskultur“ etabliert (Anerkennung außerschulischer Leistungen auf Zeugnissen stärken, „Drehtürmodelle“ ermöglichen, gute Beispiele gemeinsam
mit außerschulischen Partnern veröffentlichen)
8. Bestehende schulinterne Lehrpläne erneut überprüfen (Erarbeitung von schulinternen Beispiellehrplänen zur Unterstützung der Schulen bei der Umsetzung der KLP
für die S I – Adaption durch Schulen möglich)
9. Gestaltungsmöglichkeiten der Gymnasialen Oberstufe besser nutzen (Vertiefungskurse als Instrument individueller Förderung)
10. Wirksamkeit der Maßnahmen sichern und evaluieren (Erarbeitung von Unterstützungsmaterialien, wissenschaftliche Begleitung)

Soweit die Empfehlungen im Wortlaut. (Die Qualis ist eine Agentur des Ministeriums.*) Diese Empfehlungen werden nun mehr oder weniger bindend umgesetzt. Wir haben uns erst einmal mit der ersten Empfehlung befasst, von mir fett hervorgehoben. Sie betrifft die »Ergänzunsstunden«.
   Ergänzungsstunden wurden immer schon in den Stundenplan eingebaut, etwa um hier oder dort den Stoff vertiefen oder intensiver üben zu können. Ein Beispiel sieht man oben. Nehmen wir gleich einmal die (bei uns) vier fünften Klassen:
Die A- und B-Klassen sind die mit 4 Stunden Latein (L) und nur zwei Englisch.
   Die C-und D-Klassen haben kein Latein, dafür aber statt 2 nun »4+1« Stunden Englisch (E). Das fette »+1«, das ist die Ergänzungsstunde! Ebenso bekommen sie in Deutsch (D) eine Stunde extra, die Lateiner nicht, die haben Sprache genug … So lassen sich dank der Ergänzunsstunden Gewichtungen setzen. (Das »durchgestrichene« Schulfach ist übrigens »Lions Quest«, eine Wochenstunde auch aus dem Pool der Ergänzungsstunden geschöpft.) 
   »Die Ergänzungsstunden dienen der differenzierten Förderung innerhalb des Klassenverbandes sowie in anderen Lerngruppen. Mindestens fünf Ergänzungsstunden sollen für die individuelle Förderung eingesetzt werden. Solche Angebote können klassen- und jahrgangsübergreifend sowie für begrenzte Zeit eingerichtet werden. Die Schule kann die Schülerin oder den Schüler dazu verpflichten, im Rahmen der Ergänzungsstunden an bestimmten Förderangeboten teilzmehmen.« – So steht’s generell in § 3 Absatz 3 der »Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I – (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe 1- APO-S I)Vom 2. November 2012«.
   Speziell für Gymnasien heißt es in der »Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I – APO-S I) Vom 2. November 2012 - Auszug Geltende Fassung, Stand 13. 5. 2015«+):
   Die Ergänzungsstunden werden vorrangig für die Intensivierung der individuellen Förderung der Kompetenzen in Deutsch, Mathematik, den Fremdsprachen oder in den Naturwissenschaften verwendet, insbesondere, wenn damit eine Klassenwiederholung oder ein Schulformwechsel vermieden werden kann. Darüber hinaus können Ergänzungsstunden zur Profilbildung verwendet werden. Von den in der Stundentafel vorgesehenen Ergänzungsstunden sind fünf Stunden nicht für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend. Die Schulkonferenz beschließt ein Konzept für die Verwendung der Ergänzungsstunden auf Vorschlag der Schulleiterin oder des Schulleiters.

Ergänzungsstunden werden bei uns auch für den Förderunterricht genommen, der dann nicht für alle vorgeschrieben ist, sondern nur für die im Förderfach schwachen. Sofern sich die Eltern nicht schriftlich gegen die Förderung aussprechen, sind die Förderstunden für diese Schüler verbindlich. (Meines Erachtens sollte das strenger kontrolliert werden.)
   Am 18. Mai 2015 war nun die Frage an die Klassenpflegschaften, ob bereits im kommenden Schujahr 2015—16 die Förderstunden anders eingesetzt werden sollen, etwa um einen langen Tag einzusparen (konkret: Informatik wegzukürzen), nach dem (Wohlfühl-)Motto: »Weniger Schulstunden, weniger Stress#)«. Wir haben uns dagegen entschieden, wollen aber den Einsatz der Förderstunden unter dem Aspekt der Empfehung Nummer eins besonders im Auge behalten.
   Die Entscheidung treffen sowieso nicht wir, die Eltern, nicht einmal die Schulleitung. Entschlüsse in der Schule macht allein die »Schulkonferenz«, ein komplexes Gremium, siehe § 66 des NRW-Schulgesetztes
   Einen Stundenplan zusammenzustellen ist eine sehr, sehr schwierige Sache. Zahlreiche Vorschriften, personelle Grenzen, Wünsche aus der Schulkonferenz schränken die Möglichkeiten ein. Wir Eltern wissen das zu würdigen. 

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*) PS. Beim Namen der »Qualitäts- und UnterstützungsAgentur« nimmt sich das Kultusministerium heraus, regelwidrig eine modische Binnenmajuskel zu verwenden.
+) Keine Ahnung, warum es da so viele fast gleichlautende Textmassen gibt? 
#) »Weniger Pflicht, weniger Stress – Das sind die 10 Empfehlungen zum Lernen mit G8 in NRW«.
» … dass Ergänzungsstunden der individuellen Förderung dienen und nicht den Unterrichtsumfang erhöhen sollen … Dadurch verringert sich die verpflichtende Unterrichtszeit in der Sekundarstufe I für viele Gymnasiasten von 163 auf 158 Wochenstunden

Links
transit umbra – manent opera
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Nicht sichtbar: Dank Sommerzeit geht die
Sonnenuhr eine Stunde nach.
NRW-»Bildungsportal«: »Wesentliche Alleinstellungsmerkmale des Gym­na­siums im Vergleich zu den anderen weiterführenden allgemeinbildenden Schulformen sind der in der Mittel­stufe um ein Schuljahr verkürzte Weg bis zum Abitur, eine geringere Ge­samt­jahres­wochen­stun­den­zahl bis zum Ende der Sekundarstufe I (i.d.R. 163 statt 188) beziehungsweise bis zum Ende der Sekundarstufe II (i.d.R. 265 statt 290), die Berechtigung zum Eintritt in die gymnasiale Oberstufe durch ein­fache Versetzung (ohne ge­son­der­ten Qua­li­fi­ka­tions­ver­merk), das Fehlen einer zen­tra­len Prüfung am Ende der Se­kun­dar­stufe I sowie die Verpflichtung für alle Schü­ler­innen und Schüler, ab Klasse 6 eine zweite Fremdsprache zu belegen.«

Link hierher 
http://beetgymblog.blogspot.com/2015/05/erganzungsstunden.html

Meine Meinung: Wenn ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll, dann hilft weniger Unterreicht nicht weiter. Seien wir den Lehrern dankbar, dass sie diese Stunden bieten! Und je »individueller« Ergänzungsstunden werden, desto unverbindlicher fallen sie aus. Ganz zu schweigen von der Wirt­schaft­lich­keit: Gibt ein Lehrer zwei Schülern individuellen Unterricht, dann haben die anderen nichts davon. Als »individueller« Hausaufgabenhelfer weiß ich, dass eine Menge Schüler außerschulische bezahlte Nachhilfe bekommen, die dann entsprechend wirksam ist. (Was was kostet, wird wertgeschätzt.)

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